Insoweit erfahrene Fachkraft

Das Thema "Kindeswohlgefährdung" stellt sicherlich für alle Fachleute eine besondere Herausforderung dar und sollte heutzutage in jeder Einrichtung regelmäßig thematisiert werden. Grund dafür ist, dass durch das im Juni 2021 in Kraft getretene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sowie dem geltenden Gesetzt § 8a SGB VIII jede Einrichtung erneut aufgefordert wird, die fachlichen Standards im Kinderschutz weiterzuentwickeln. Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung wird somit konkretisiert. Ziel ist es, Missbrauchs- und Vernachlässigungstatbestände frühzeitig aufzudecken bzw. zu reduzieren.

Es zählt zu den Aufgaben jeder Fachkraft Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen zu erkennen und deren Risiken für die Kinder und Jugendlichen im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen und ggf. eine Insoweit erfahrenen Fachkraft hinzuzuziehen. Die Mitarbeitenden müssen über ausreichendes Wissen verfügen, um eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen. Eine Insoweit erfahrene Fachkraft, die rechtlich mit dem Verfahren gemäß § 8a SGB VIII vollständig vertraut ist kann hier behilflich sein.

Im folgenden Text findest du alle Informationen zum Thema insoweit Erfahrene Fachkraft.

Bitte beachte, dass die Titel Kinderschutzkraft und Insoweit erfahrene Fachkraft als Synonyme verwendet und mit InsoFa abgekürzt werden können.

 

Was macht eine Insoweit erfahrene Fachkraft?

 

Die insoweit erfahrene Fachkraft wurde mit Einführung des § 8a SGB VIII1 im Jahre 2005 als verbindlicher Standard in der Kinderschutzarbeit zur Qualifizierung der Risikoeinschätzung bei einer möglichen bzw. tatsächlichen Kindeswohlgefährdung eingeführt. Die Aufgaben einer insoweit erfahrenen Fachkraft sind sehr vielfältig. Es bedarf daher einiger persönlicher Anforderungen wie pädagogische und psychologische Kenntnisse und Erfahrungen, Kenntnisse über § 8a SGB VIII, hohe kommunikative Fähigkeiten sowie einer hohen Sozialkompetenz. Zu ihren Aufgaben gehören beispielweise:

 

  • Beratung und Unterstützung zu Fragen hinsichtlich des Kinderschutzes
  • Prüfung ob Hinweise auf Kindeswohlgefährdung bereits bekannt sind
  • Prüfung der aktuellen Lebenssituation des Kindes 
  • Prüfung der Mitwirkungsbereitschaft der Sorgeberechtigte
  • Beratung eines päd. Teams hinsichtlich geeigneter Gesprächsführungsmethoden, die bei Elterngesprächen im Bereich von Kindeswohlgefährdung hilfreich sind
  • Kooperation mit verschiedenen Instanzen
  • Unterstützung bei Einschätzung zu Gefährdungseinschätzungen
  • Einschätzung ob Ressourcen vorhanden sind damit zeitnahe Hilfen bzw. Schutzmaßnahmen eingeleitet werden können
  • Begleitung eines päd. Teams bei unterschiedlichen Ergebnissen der Risikoeinschätzung
  • Beratende Tätigkeiten
  • Strukturierung sowie Erarbeitung von Handlungs- bzw. Schutzplänen und Kinderschutzkonzepten
  • Qualitätssicherung und -entwicklung hinsichtlich der Weiterentwicklung von Verfahrensabläufen und der Optimierung von Entscheidungsprozessen,
  • Moderation von Fallreflexionen
  • Vermittlung von Fachwissen hinsichtlich des Themas Kinderschutz
  • Informationen und Beratung über geeignete Hilfsangebote

     

Wie wird man Insoweit erfahrene Fachkraft



Für die Ausbildung zur Insoweit Erfahrenen Fachkraft gibt es aktuell keine einheitlichen Standards auf Bundesebene. Die Dauer sowie der Titel der Aus- bzw. Weiterbildung variiert somit je nach Fortbildungsinstitut.

Beispiele für Möglichkeiten zur Aus- bzw. Weiterbildung:

  • Live Online Seminar: ca. eine Woche (je 6 Stunden täglich) und anschließendem ein wöchentlichem „Selbststudium danach erfolgt eine „Abschlussklausur“
  • 4 Wochenendmodule (Fr. und Sa. je ca. 6 - 7 Stunden täglich danach Abschlusskolloquium)
  • Einzelne Termine über das Jahr verteilt
  • Hybird (online und Termine vor Ort)

Je nach Anbieter variieren auch die Kosten für die Aus- bzw. Weiterbildung on ca. 500 Euro bis 1500 Euro.

 

Wer kann als InsoFa arbeiten?

 

Es gibt eine weite Zielgruppe, die als InsoFa tätig werden können:

  • Mitarbeitende von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
  • Mitglieder von Vereinen, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind
  • Fachkräfte von Kindertageseinrichtungen

 

Die Teilnahmevoraussetzungen variiert je nach Anbieter und Aus- und Weiterbildungsinstitut. In der Regel wird folgendes vorausgesetzt:

Welche Inhalte werden in einer Fortbildung zur Kinderschutzfachkraft thematisiert?  


Die Inhalte der Themen variieren je nach Fortbildungsträger Mögliche Themen sind:

  • Aktuelle, fachliche und rechtliche Grundlagen zum professionellen Handeln bei Kindeswohlgefährdung
  • Vermittlung von erforderlichen Kompetenzen, um mit Familien in Krisen- und Gefährdungskontexten kompetent und besonnen handeln zu können
  • Symptome von körperlicher, seelischer oder sexueller Misshandlung oder einer Vernachlässigung
  • Grundlagenwissen zur kindlichen und jugendlichen Entwicklung
  • Gefährdungseinschätzung/ Gefährdungsbereiche und Gefahrenabwendungsprimat
  • Beratungskompetenz zur ISEF-Arbeit
  • Fragen und Fallbesprechungen
  • Selbst- und Fremdbestimmung
  • Erscheinungsformen von Kindeswohlgefährdung 
  • Selbstreflektion
  • Beobachtung und Dokumentation
  • Elterngespräche über das Kindeswohl kompetent führen

 

Was verdient eine insoweit erfahrene Fachkraft?

 

Da es für die Ausbildung zur Insoweit Erfahrenen Fachkraft aktuell keine einheitlichen Standards auf Bundesebene gibt variiert auch das Gehalt für diese berufliche Position. Das Honorar ist abhängig von deinem Wohnort, Größe des Trägers sowie der Berufserfahrung. Hier findest du einen Überblick, wieviel du als InsoFa verdienen kannst.
 

https://www.gehalt.de/beruf/kinderschutzfachkraft

 

Was mache ich, wenn es einen Verdachtsfall/Verdachtsmoment gibt?  


Grundsätzlich muss vorab unterschieden werden, um welchen Verdachtsfall es sich handelt.

  • Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Fachpersonal in der Kita
  • Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Personen außerhalb der Kita
  • sexueller Übergriff unter Kindern

Je nach Verdachtsfall muss natürlich auch unterschiedlich vorgegangen werden.
 

Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Fachpersonal in der Kita

Falls es innerhalb eines Teams einen Verdachtsfall geben sollte, stellt das für die KollegInnen, sowie die Leitungen eine große Herausforderung dar. Ein Beispiel hierfür ist, dass sich ein Kind spontan über das betroffene Teammitglied in einer Spielsituation gegenüber einer Kollegin äußert. In solchen Fällen muss zunächst Ruhe bewahrt werden damit Fakten gesammelt werden können. Jedoch müssen bereits bei vagen Verdachtsmomenten geeignete Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden. Dies ist auch in § 47 SGB VIII (Zusammenarbeit zwischen Träger und Fachaufsicht) sowie § 47 SGB VIII (Meldepflicht) geregelt.

In solchen Fällen kann folgendermaßen vorgegangen werden:

1. Der Träger, die Leitung wird über den Vorfall in Kenntnis gesetzt
2. Dokumentation von Fakten

  • Klärung von wichtigen Fragen
  • Überblick verschaffen
  • Alle Informationen dokumentieren (genauer Wortlaut festhalten, Ort- und Zeitangaben, eigene Überlegungen und Ideen gesondert notieren)

3. Situation Abklären

  • Muss ein Krisenstab eingeleitet werden?
  • Wann erfolgt die Meldung an die InsoFa?
  • Muss das beschuldigte Teammitglied sofort freigestellt werden?

4. Hinzuziehen der InsoFa
5. Bei Bestätigung des Verdachtes

  • Vorgehensweisen stets mit InsoFa abklären
  • Sprachregelungen innerhalb des vereinbaren (wie wird mit Eltern, Kindern usw.)
  • Freistellung vom Dienst, Hausverbot
  • Sicherstellung von Beweisen
  • Information an die Eltern mit Unterstützung der InsoFa

Alle weiteren Schritte werden von der InsoFa getätigt

Beachte: Du solltest das Kind und seine Aussagen stets ernst nehmen. Befrage niemals das Kind zu diesem Thema.

 

Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Personen außerhalb der Kita und Verdacht auf sexuellen Übergriff unter Kindern

  • Verdachtsmomente werden beobachtet
  • Leitung/Träger wird informiert
  • Fallbesprechung innerhalb des Teams (Einschätzung, Dokumentation, Reflexion)
  • Austausch mit Eltern (Achtung: Nicht bei sexueller Gewalt, bei körperlicher Gewalt und Verdacht auf Missbrauch)
  • Hinzuziehen der IsoFa (gemeinsame Einschätzung und Entscheidung über mögliche Maßnahmen und weiteres Vorgehen)
  • Bei akuten Fällen wird sofort das Jugendamt informiert

 

TIPP: Gute und ausführliche Tipps wie beispielsweise einen Leitfaden für Gespräche mit Kindern und Eltern nach Bekanntwerden eines Missbrauchsverdachts in Kindertageseinrichtungen findest du im Handbuch Umgang mit sexueller Gewalt in Kindertageseinrichtungen (siehe Quellenangabe)

 

Was mache ich, wenn es innerhalb der Einrichtung oder beim Träger keine insoweit erfahrene Fachkraft gibt?

 

Generell kannst du dich an Erziehungsberatungsstellen, Jugendämter, Kinderschutzzentren sowie spezielle Fachberatungsstellen für Verdachtsfälle sexueller Gewalt wenden. Erkundige dich bei den in deinem Ort zuständigen Behörden. Wichtig wäre es, wenn die Kontaktdaten der zuständigen IsoFa stets griffbereit sind, damit im Ernstfall nicht erst danach gesucht werden muss.

Hier findest du Beispiele für zuständige Einrichtungen:

https://imma.de/einrichtungen/beratungsstelle/angebote/6-fachberatung-und-fachberatung-nach-8a-sgb-viii-bei-verdacht-auf-kindeswohlgefährdung-durch-sexuellen-missbrauch-bzw-sexualisierte-gewalt/

https://amyna.de/wp/infos-im-verdachtsfall/

Generell besteht keine regionale Bindung an den Wohnort des Kindes oder den Standort der Kita. Du könntest dich somit an jedes Jugendamt dein Wahl richten.

 

Wie erfolgt die Finanzierung der insoweit erfahrenen Fachkraft?


Die Finanzierung der Leistungen einer insoweit erfahrenen Fachkraft wird indirekt im § 8b Abs. 1 SGB VIII geregelt. In diesem Absatz ist festgehalten, dass der örtliche Träger der Jugendhilfe als Kostenträger aufkommt. Somit kann sich jeder, der beruflich in Kontakt mit Kindern steht, bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung Hilfe durch eine insoweit erfahrene Fachkraft einholen.

 

Quelle:

https://www.fachstelle-kinderschutz.de/files/01_Fachstelle_Kinderschutz/Publikationen/Fachartikel/die%20insoweit%20erfahrene%20Fachkraft%20Aug.%202019.pdf

Landeshauptstadt München. Referat für Bildung und Sport: Handbuch Umgang mit sexueller Gewalt in Kindertageseinrichtungen Eine Orientierungshilfe für Prävention, Intervention und Rehabilitierung für freigemeinnützige und sonstigeTräger

Bild: Shutterstock 1096650533

 

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